Digitale Edition und Kommentierung der Tagebücher des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599-1656), Ronald G. Asch und Peter Burschel (ed.), 2013-. http://diglib.hab.de/edoc/ed000228/start.htm (Last Accessed: 10.08.2022). Reviewed by Selina Galka (Zentrum für Informationsmodellierung, Karl-Franzens-Universität
Graz), selina.galka@uni-graz.at. ||
Abstract:
This review examines the Digital Edition of the Diaries of Prince Christian II. von Anhalt-Bernburg, implemented by the University of Freiburg and the Herzog August Bibliothek. The research project, which has been running since 2013 and has not yet been completed, aims to present the entire diary (diplomatic transcription and facsimiles) of the prince which comprises a total of approximately 17,400 pages. In its digital approach, the project offers a sound-text-presentation that far surpasses that of the print medium (e.g., enrichment with norm data, visualizations, provision of Linked Open Data), but the lack of technical documentation makes it difficult to trace the workflow, archiving, or even subsequent use of the data.
Einleitung
1Bei den Tagebüchern (1621–1656) des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg handelt es sich sowohl quantitativ als auch qualitativ um eine aufschlussreiche Quelle: Die insgesamt 23 Bände (ca. 17.400 Seiten) bieten einen wertvollen Einblick in die Geschichte des frühen 17. Jahrhunderts, insbesondere zur Zeit des 30-jährigen Krieges. Das Selbstzeugnis des Fürsten ist durch einen hohen Anteil an Subjektivität charakterisiert, was aber im Licht von vormodernen Selbstzeugnissen kein Alleinstellungsmerkmal darstellt. Auffällig ist hingehen die Nähe der Quelle zu Reisetagebüchern, da der Fürst die Routen seiner zahlreichen Reisen notiert, durchbrochen von narrativen Einschüben. Autobiographische Schriften der Vormoderne wurden meist für die eigenen Nachkommen verfasst (Völker-Rasor 1996, Schulze 1996), so schreibt auch der Fürst Christian II. in einer Familientradition und für die nachfolgenden Generationen. Die umfangreiche Quelle ist für viele Fächer und Disziplinen bedeutsam – zum Beispiel für Militär-, Politik, Sozial-, Alltags und Geschlechtergeschichte, für Hof- und Adelsforschung, für allgemeine Kulturgeschichte oder grundsätzlich der Erforschung zu frühneuzeitlichen Selbstzeugnissen, wie in der einführenden Projektbeschreibung dargelegt wird. Die kritische digitale Edition (http://www.tagebuch-christian-ii-anhalt.de) soll sämtliche Tagebücher des Fürsten verfügbar machen, denn bisher sind nur sehr kleine Teile davon in Teil- und Auswahleditionen erschienen (Aretin 1804, Krause 1858, Dittmar 1894, Wäschke 1906/1908/1915, Specht 1938).
2Weitere Beispiele für digitale Editionen von Selbstzeugnissen der frühen Neuzeit aus dem deutschsprachigen Raum sind beispielsweise die „Digitale Edition des Diariums von Herzog August dem Jüngeren“ (1579–1666), welches das knapp 40 Jahre umfassende Diarium des Herzogs von Braunschweig und Lüneburg zur Verfügung stellt, und das Projekt „Philipp Hainhofer: Reiseberichte & Sammlungsbeschreibungen 1594–1636“, welches eine digitale Edition der Reiseberichte des Augsburger Kaufherrn Philipp Hainhofers bereitstellt, wobei an beiden Projekten ebenfalls die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel beteiligt ist (Ralle 2017, Wenzel 2020–2022). 2018 wurde „Das Kloster-Tagebuch des Einsiedlers Paters Joseph Dietrich, 1670–1704“ als kommentierte Online-Edition veröffentlicht und eine Quelle aus dem 18. Jahrhundert präsentiert das Projekt „Johann Christian Senckenberg (1707–1772): Digitale Edition der Tagebücher“ (Rohr/Schwarz 2018–, Hausinger/Jehn 2010–).
3Bei der Digitalen Edition der Tagebücher des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg handelt es sich um ein DFG-finanziertes Forschungsprojekt, das seit 2013 für eine Laufzeit von 12 Jahren angesetzt und zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist. Dementsprechend lassen sich auf der Editionswebsite immer wieder Hinweise finden, dass momentan Änderungen an Text und Apparaten möglich sind; diese würden jedoch später in einem Änderungsverzeichnis vermerkt werden.1 Innerhalb einer dreijährigen Pilotphase wurden die Texte der Jahre 1635 bis 1637 transkribiert und veröffentlicht. Mittlerweile stehen die Jahre 1621 bis 1645 zur Verfügung, wobei aus dem Webauftritt nicht hervorgeht, wann welche Teile veröffentlicht wurden – Informationen zur Digitalisierung sind jedoch auf Nachforschung in den Metadaten der jeweiligen TEI-Dokumente enthalten.2
4 Eine Grafik im Projektportal3 veranschaulicht den Fortschritt des Projekts (siehe Abb. 1), wonach bisher 9275 von 17400 Seiten bearbeitet sind – dieses Ergebnis stellt allerdings erst etwas mehr als die Hälfte des Textkorpus dar, der eigentlich für die digitale Edition bearbeitet werden sollte, während die Projektlaufzeit regulär 2025 endet. Es fehlen Informationen dazu, wie aktuell die Grafik ist, welche Schritte der Status „bearbeitet“ (transkribiert oder auch schon publiziert?) beinhaltet, und wann die Veröffentlichung weiterer Teile geplant ist: Ein Editionsplan wäre hilfreich.
5Das Projekt wird von der Universität Freiburg und der Herzog August Bibliothek umgesetzt und unter der Leitung von Ronald G. Asch und Peter Burschel herausgegeben. Der Webauftritt der Digitalen Edition stellt das Projektteam außer mit einer Listung aller Beteiligten nicht näher vor, allerdings lassen sich detaillierte Informationen zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Aufgabenbereichen im daneben existierenden Projektportal finden.
Gegenstand und Inhalt
6Die digitale Edition hat die Erschließung sämtlicher Tagebücher des Fürsten zum Ziel, denn bisher blieb trotz Teil- und Auswahleditionen 92% des Textes unediert – die bereits veröffentlichten Editionen wurden im Projekt berücksichtigt und auch bibliographisch vermerkt, wie in der Projektbeschreibung auf der Webseite der Digitalen Edition festgehalten wird. Die Tagebücher sind zum Großteil in deutscher Sprache verfasst, sie enthalten aber auch französische, italienische, lateinische, spanische und niederländische Passagen.
7Der Webauftritt der Edition ist äußerst umfangreich: Neben einer Textsynopse aus diplomatischer Transkription und Faksimiles, Übersetzungen der fremdsprachigen Passagen, Personen-, Orts-, Körperschafts- und Sachregister und Glossare der im Text zitierten Werke und Bibelstellen gibt es erläuternde Kommentare, Suchmasken für die unterschiedlichen Entitäten, eine Volltextsuche und anschauliches Kartenmaterial. Darüber hinaus werden Visualisierungen wie Stammbäume oder ein Verwandtschaftsnetzwerk zur Verfügung gestellt. Unter „Materialien und Downloads“ wird noch zusätzliches Material angeboten, z. B. eine Netzwerkvisualisierung der Verwandtschaftsbeziehungen, Linked Open Data im RDF/XML- und BEACON-Format und ein weiterführender Link zum parallel existierenden Projektportal.
Ziele und Methoden
8 Die kritische Edition, welche sich „neben Historikerinnen und Historikern auch [an] Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher weiterer Wissenschaftsdisziplinen einschließlich der Studierenden sowie durchaus eine interessierte Öffentlichkeit“ (Editionsrichtlinien der Digitalen Edition) richtet, folgt den Empfehlungen zur Edition von frühneuzeitlichen Texten des Arbeitskreises „Editionsprobleme der Frühen Neuzeit“ (2013). Die Herangehensweise an den Text und die Editionsrichtlinien werden ausführlich dokumentiert (siehe Abb. 2): Der Tagebuchtext wird beispielsweise mit Sachanmerkungen und einem kritischen Apparat, Konjekturen in eckigen Klammern, Wiedergabe der meisten diakritischen Zeichen, stillschweigender Auflösung von konventionellen Kürzungszeichen, Auflösung erklärungsbedürftiger Kürzungszeichen in kursiver Schrift mit Listung in einem Abkürzungsverzeichnis, Beibehaltung der Klein- und Großschreibung der Vorlage und der Interpunktion etc. bereitgestellt und folgt somit den Präliminarien einer kritischen Edition.
9Die Tagebücher der Vormoderne wurden meist nicht als „Zwiesprache mit seinem [eigenen] Ich“ (Völker-Rasor 1996, 111) verfasst, sondern für die Nachwelt, insbesondere für die eigenen Nachkommen. So richten sich die Texte, die meist auch ohne Veröffentlichungsintention verfasst werden, an eine äußerst reduzierte Leserschaft, wodurch sich der Inhalt für einen Leser oft nur schwer erschließen lässt (Dumont 2020, 175). Die Aufgabe einer Tagebuchedition ist daher unter anderem, den Text möglichst rezipierbar und verständlich zur Verfügung zu stellen, aber auch den ursprünglichen Sinnzusammenhang zu erschließen und zu erläutern (Hurlebusch 1995, 29). Die digitale Edition der Tagebücher des Fürsten wird dieser Anforderung gerecht, indem neben dem Tagebuchtext jedem Jahrgang eine Einleitung vorangestellt wird, welche die beschriebenen Ereignisse in den Tagebüchern in einen weiteren historischen Kontext einbettet und Bezug auf einzelne Tagebucheinträge nimmt.
10Die Texte wurden nach den Richtlinien der Text Encoding Initiative kodiert; das bedeutet, es wurde ein standardisiertes Datenmodell verwendet, wodurch die Daten grundsätzlich weiterverarbeit- und nachnutzbar sind – leider fehlt jedoch jegliche Dokumentation der Datenmodellierung. Generell wird jegliche technische Dokumentation vermisst – der Webauftritt der Digitalen Edition bietet umfangreiche Begleittexte zur Person des Fürsten, eine Beschreibung der Quelle und detaillierte Editionsrichtlinien, aber Hinweise zur Datenmodellierung, Kodierungsentscheidungen oder eine ausführlichere Beschreibung zur Archivierung der Daten, abgesehen von der Verlinkung zu den Daten auf GitLab 4, fehlen vollends.
Umsetzung und Präsentation
Editionstext
11 Der Webauftritt der Edition ist recht umfangreich. Als Navigationsstruktur zu den Tagebüchern dienen die Jahre; innerhalb der Jahre können die vorhandenen Monate annavigiert werden, um zum Editionstext zu gelangen. Irritierend ist die doppelte Zurverfügungsstellung dieser Navigationsstruktur: Denn bei der ersten Auflistung der veröffentlichten Jahre gelangt man zu einer Textansicht, in der die dazugehörigen Faksimiles nur in einem separaten Fenster geöffnet werden können, während bei der zweiten Auflistung eine parallele Anzeige von Text und Faksimile ermöglicht wird (siehe Abb. 3).
12 Bei der parallelen Anzeige von Text und Faksimile ist die Ladezeit der Transkription auffällig lang (ungefähr 4 Sekunden – hier wäre vielleicht ein Icon sinnvoll, welches den Ladevorgang deutlich macht); außerdem fehlt leider eine Verknüpfung der beiden Komponenten im User-Interface, so dass, wenn gewünscht, die jeweiligen Textstellen mit dem dazugehörigen Faksimile mühsam händisch gegenübergestellt werden müssen (siehe Abb. 4). Die Faksimiles werden aber in hoher Auflösung bereitgestellt und der Viewer ist intuitiv zu bedienen, auch Zoommöglichkeiten sind gegeben. Jedem Tagebuch-Jahr ist eine Einleitung vorangestellt, die einen Kommentar zu Beobachtungen und Auffälligkeiten der jeweiligen Texte enthält. Die Tagebuchtexte werden pro Monat präsentiert, wobei jedem Monat ein Inhaltsverzeichnis mit Verlinkung in den Editionstext vorangestellt wurde. Innerhalb des Editionsprojektes wurde dokumentnah transkribiert, wobei die Vorgehensweise detailliert in den Editionsrichtlinien festgehalten wurde. Als strukturierende Elemente dienen Datumsangaben, von denen aus man mit einem Klick auf einen Button (nach oben gerichteter Pfeil) an den Anfang des Textes gelangt. Jeder einzelne Eintrag ist mit einem derartigen Button ausgestattet – um diese große Redundanz zu vermeiden, hätte man auch einen „back-to-top“-Button, der beim Scrollen durch den Text im Interface verankert bleibt, anbieten können.
13Im Text werden Entitäten wie Personen oder Orte dunkelrot hervorgehoben, mit Klick darauf erscheint ein Fenster mit weiteren Informationen, Normdaten (falls vorhanden) und auch eine direkte Verknüpfung zur MWW-Personensuche 5 oder der Deutschen Biographie 6. Die Übersetzung fremdsprachiger Wörter oder Passagen (in violetter Farbe ausgewiesen) erhält man ebenfalls mit Mausklick auf die jeweilige Stelle.
14Das Datenmodell verwendet entsprechende Tags der TEI:
- die einzelnen Tagebucheinträge werden mit
<div type="entry">
kodiert - Datumsangaben mit
<date>
und dem normalisierten Datum im@when-iso
-Attribut - innerhalb von
<div type="entry">
werden dem Tagebuchtext<index>
-Elemente vorangestellt, mit Hilfe derer bei der Darstellung der Texte auf der Webseite dem jeweiligen Jahrgang ein Inhaltsverzeichnis generiert wird - in den Registern erfasste Einträge werden in der Tagebuchtranskription mit
<rs>
getagged - Sachanmerkungen und Übersetzungen mit
<note>
- fremdsprachige Stellen mit
<foreign>
, Abbreviaturen mit<ex>
- Revisionen der Schreiber7 mit
<subst>
,<del>
und<add>
- weitere Auffälligkeiten in der Handschrift wie Schäden (
<damage>
) oder unklare Stellen (<unclear>
) werden ebenfalls annotiert
15 Unter dem Editionstext befindet sich der textkritische Apparat und ggf. ein Stellenkommentar, wobei die einzelnen Einträge auch direkt in den Text verlinkt sind. Relativ einfach zu finden sind Downloadmöglichkeiten der Daten im PDF-Format (Gesamtdownload oder die Texte pro Monat/Jahr, rechts unten), während die Daten im XML-Format nur pro Monat angeboten werden und das auch deutlich weniger präsent als der PDF-Download (siehe Abb. 5, links unten im Textbereich). Auch XSLT-Anzeigeskripte werden hier zum Download angeboten. Der PDF-Export der Texte ist ansprechend gestaltet und sehr gut verwendbar, allerdings ist er laut Herausgeber nur als Ergänzung zur Digitalen Edition gedacht und nicht zitierfähig, wie in den PDFs auch explizit angemerkt wird.
Register und Itinerar
16 Im Rahmen der Digitalen Edition werden ein Personen-, Orts-, Körperschafts- und ein Sachregister im TEI/XML-Format zur Verfügung gestellt, kodiert mit <listPerson>
, <listPlace>
, <listOrg>
und <taxonomy>
, wie es mittlerweile Standard für digitale Editionen ist. Die Einträge sind mit Normdaten (GND, GeoNames), ggf. Anmerkungen und weiterführenden Links ausgestattet; außerdem werden die jeweiligen Fundstellen auf der Website mit direkter Verlinkung in den Editionstext ausgewiesen. In den TEI-Dokumenten der Register sind die Fundstellen leider nicht modelliert, wie es z. B. mit <linkGrp>
und <ptr>
möglich gewesen wäre. Das Ortsregister kann nicht nur tabellarisch genutzt werden – auch eine kartographische Ansicht wurde mit HIlfe des DARIAH-DE Geo-Browser umgesetzt, in der jene erwähnten Orte aus dem Tagebuch verzeichnet sind, zu denen eine GeoNames-ID ausgemacht werden konnte. Die Reisewege Christians II. wurden in einem Itinerar verzeichnet, welches ebenfalls tabellarisch oder kartographisch aufgerufen werden kann (siehe Abb. 6). Die digitale Edition stellt außerdem Register aller in den Tagebüchern erwähnten Bibelstellen und zitierten Werke zur Verfügung.
Visualisierungen, Materialien und Downloads
17 Über die grundlegenden Komponenten von digitalen Editionen hinausgehend werden Stammbäume der Häuser Anhalt und Sachsen-Lauenburg und eine Netzwerkvisualisierung präsentiert, welche mit Gephi umgesetzt wurde und die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den im Tagebuch vorkommenden Personen veranschaulicht (siehe Abb. 7). Die Verwandtschaftsbeziehungen wurden aus der GND und Wikidata extrahiert.
18Unter dem Menüpunkt „Materialien und Downloads“ wird Linked Open Data im RDF/XML-Format der Personen, Orte und Körperschaften angeboten; außerdem auch BEACON-Daten und Verlinkungen zu den XML-Dateien auf GitLab. Hier versteckt sich auch der Link zum parallel existierenden Projektportal, welches neben einigen einführenden Texten, die auch in der Digitalen Edition zu finden sind, eine Zeitleiste und zusätzliches Karten- und Bildmaterial zur Verfügung stellt.
Suche
19Die digitale Edition bietet neben einer Volltextsuche auch eine erweiterte Suche, die, wie in einer Erläuterung der Suche vermerkt, komplexe Suchabfragen ermöglicht: Es können der Suchzeitraum eingeschränkt und Registerbegriffe mit der Volltextsuche kombiniert werden. Die Bereitstellung der Registerbegriffe stellt eine wertvolle Hilfestellung dar, allerdings wirft der Versuch einer Auswahl von Personen, die im Register verzeichnet sind, eine Fehlermeldung aus. Die erweiterte Suche erlaubt Trunkierung und die Ergebnisse sind mit den relevanten Einträgen in den Tagebüchern verlinkt.
Usability und Navigation
20 Der Webauftritt der digitalen Edition basiert auf PHP; die Oberfläche ist grundsätzlich recht intuitiv zu bedienen und außerdem auch responsive gestaltet. Die prominente Überschrift auf der Startseite sollte auf den ersten Blick klarmachen, was Gegenstand der Edition ist (siehe Abb. 8). Durch das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sind die unterschiedlichen Inhalte, wie Tagebuch oder Register, von der Startseite aus unmittelbar zu erreichen; das Verzeichnis bleibt außerdem bei Navigation auf untergeordneten Webseiten der Edition bestehen. Die Navigation von den Unterseiten zurück zur Startseite ist bedauerlicherweise unbefriedigend, da man zu dieser mit Klick auf „Inhaltsverzeichnis“ gelangt, und nicht, wie man vielleicht erwarten würde, mit einem Button namens „Startseite“ oder „Home“; auch „Zurück“-Buttons würden eine wertvolle Navigationsmöglichkeit darstellen.
Metadaten und Zitierweise
21Die Bereitstellung von Metadaten wird bei der HTML-Ausgabe der einzelnen Tagebuchtexte leider nicht berücksichtigt, obwohl sie in den TEI-Dokumenten kodiert wären – hier sind Veröffentlichungsdatum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Aufgabenbereiche und der Herausgeber der elektronischen Ressource verzeichnet. Unter „Bibliographische Beschreibung“ wird allerdings eine METS-Datei zur Verfügung gestellt, in der Informationen zu den Tagebuchtexten und sämtlichen begleitenden Texten verzeichnet sind. Die Quelle selbst wird in den TEI-Dokumenten des Tagebuchs nicht beschrieben, wie es normalerweise innerhalb von <sourceDesc>
üblich wäre. Auch die Beschreibung der einzelnen Bände, welche sich durchaus im Webauftritt der digitalen Edition finden lässt, wurde nur mit einer Tabellenstruktur annotiert.
22Anzumerken ist die mangelhafte Zitierbarkeit der Digitalen Edition. Es werden zwar vorbildhaft ein bibliographischer Hinweis und ein Permalink bereitgestellt, beide beziehen sich allerdings nur auf die digitale Edition im Gesamten – es gibt somit keine punktgenaue Möglichkeit Zitate fest referenzierbar anzugeben, was für digitale Editionen nicht nur äußerst wichtig wäre, sondern eventuell auch die Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer aus der historischen Fachwissenschaft schmälern dürfte. In der METS-Datei sind IDs zu den einzelnen Texten verzeichnet und man kann auch vom Inhaltsverzeichnis zu den einzelnen Monaten einen URL zu einem Tag kopieren, es wird allerdings keine Hilfestellung gegeben, wie man die einzelnen Unterseiten der digitalen Edition direkt zitieren könnte. Die URL der Startseite verändert sich beim Navigieren in andere Bereiche der Edition nicht.
Rechte und Lizenzen, Langzeitarchivierung
23Sämtliche Inhalte der Edition stehen, wie in den oben prominent verlinkten Nutzungsbedingungen formuliert wird, unter einer Creative Commons BY-SA-Lizenz zur Verfügung, was bedeutet, dass sie unter Namensnennung unter gleichen Bedingungen weiterverwendet werden dürfen. Die Lizenzen wurden außerdem in den TEI-Dokumenten im <teiHeader>
kodiert. Die Edition wird von der Wolfenbütteler Digitale Bibliothek bereitgestellt, welche die Daten laut eigener Auskunft sorgfältig auf zwei unterschiedlichen Servern archiviert, außerdem wird die langfristige Erreichbarkeit der digitalen Objekte laut der Institution garantiert. Diese Information geht jedoch nicht aus der Digitalen Edition hervor, sondern konnte nur hier über Umwege auf einer Website der 8 gefunden werden.
FAIR-Prinzipien
Findable
24Die digitale Edition ist mit Hilfe einer Suchmaschine einfach auffindbar, außerdem werden auch das Projektportal, Projektbeschreibungen und bereits erschienene, begleitende Publikationen gelistet. Die Edition scheint sowohl im Katalog von Patrick Sahle als auch in jenem von Greta Franzini auf, auch in der DARIAH Collection Registry wird sie angegeben. Über Bibliothekskataloge wie den KVK oder Plattformen wie die DDB (Deutsche Digitale Bibliothek) oder Europeana ist sie (noch) nicht zu finden, was wahrscheinlich dem Umstand geschuldet ist, dass sie work in progress darstellt. Dasselbe gilt für die OAI-PMH: Die Wolfenbütteler Digitale Bibliothek bekundet zwar, dass Metadaten über eine OAI-Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden, diese konnten im Zuge einer Recherche für das Tagebuch allerdings (noch) nicht aufgefunden werden, was eventuell an der noch laufenden Projektzeit liegt.9 Leider wurden die einzelnen TEI-Dokumente, die den Tagebuchtext enthalten, nicht unter einem PID (Persistent Identifier, ein stabiler Identifikator für digitale Ressourcen) archiviert, wodurch sie nicht stabil referenzierbar sind.
Accessible
25Die Edition und deren Inhalte sind für Nutzerinnen und Nutzer frei zugänglich, denn die XML-Dateien werden sowohl einzeln (auf der Webseite), als auch als Gesamtdownload (GitLab-Repositorium) angeboten. Auf der Website wird zwar per Button rechts oben theoretisch die Möglichkeit gegeben, sich die Texte auch auf Englisch anzeigen zu lassen, praktisch allerdings passiert bei Klick auf den Button nichts, außer dass man wieder auf der (deutschen) Startseite landet. Leider wird nicht erläutert, ob noch geplant ist, diese Möglichkeit der Sprachauswahl zu implementieren. Das Interface ist benutzerfreundlich gestaltet – die Texte sind aufgrund der Farbwahl der Edition leicht zu erfassen und die Schriftgröße lässt sich durch browsereigene Zoommöglichkeiten verändern.
Interoperable
26Die Texte sind nach den Richtlinien der TEI annotiert, was grundsätzlich die Nachnutzbarkeit und Weiterverwendbarkeit der Daten ermöglicht; allerdings wurden die Kodierungsrichtlinien nicht zur Verfügung gestellt und das in den TEI-Dokumenten referenzierte ODD-Schema 10 scheint kein projektspezifisches zu sein.
27Begrüßenswert ist die Bereitstellung der Registerdaten als Linked Open Data im RDF/XML-Format (plus Dokumentation), außerdem können die im Rahmen der Digitalen Edition ausgezeichneten Personen mit GND-Nummer als Liste im BEACON-Format abgerufen werden.
Reusable
28Die Daten werden unter dem Editionstext zum Download zur Verfügung gestellt, wie oben bereits beschrieben. Die PDF-Dateien können hier einzeln, zu einem Jahrgang gebündelt oder innerhalb eines ZIP-Ordners gesamt heruntergeladen werden; als XML-Download steht hier (eher versteckt) leider nur das einzelne TEI/XML-Dokument des ausgewählten Textes zur Verfügung. Alle XML-Dateien gesammelt können jedoch vom GitLab-Repositorium heruntergeladen werden, auf das unter „Materialien und Downloads“ verlinkt wird.
29Wie ausgeführt, werden die Bedingungen zur Nachnutzung in der allgemeinen Nutzungsvereinbarung formuliert (CC BY-SA); die Lizenzen werden aber auch in der TEI/XML-Kodierung im <teiHeader>
festgehalten, ebenso wie Metadaten zur digitalen Ressource.
Fazit
30Die digitale Edition der Tagebücher des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg stellt eine äußerst umfangreiche und zeitgeschichtlich interessante Quelle zur Verfügung. Sie folgt dem von Patrick Sahle definierten digitalen Paradigma (2013, 148) einer Digitalen Edition durch:
- Bereitstellung von hochauflösenden Faksimiles mit Zoommöglichkeiten
- Hypertext
- Datenmodellierung nach den Richtlinien der Text Encoding Initiative und Anreicherung der Texte mit Normdaten
- Linked Open Data
- diverse Browsing- und Suchmöglichkeiten
- die über die reine Textpräsentation hinausgehenden Visualisierungen (interaktives Kartenmaterial, Verwandtschaftsnetzwerk)
31Es ist zu begrüßen, dass die Edition als work in progress mit Angaben zum Datum der letzten Änderung veröffentlicht wird, allerdings wäre es darüber hinaus wünschenswert, wenn genauere Hinweise zum Fortschritt der Edition und zu weiteren geplanten Vorhaben auf der Editionsseite verfügbar wären. Zum derzeitigen Stand bleibt unklar, ob z. B. die erweiterte Suche noch repariert wird, wann weitere Daten veröffentlicht werden (Editionsplan), und ob die Metadaten der TEI-Dokumente des Tagebuchs noch über eine OAI-Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus würden es kollaborative Elemente (z. B. Kommentarfunktionen) erlauben, verschiedene fachwissenschaftliche Erkenntnisse für die Erschließung der Texte beizutragen.
32Einer digitalen wissenschaftlichen Edition muss eine Dokumentation zugrunde liegen – zwar wurde diese Mindestanforderung mit der Projektbeschreibung und den Editionsrichtlinien erfüllt, aber jegliche technische Dokumentation zur Datenmodellierung (Kodierungsrichtlinien, projektspezifisches Schema, Hinweise zum Workflow bzw. verwendete Methoden und Tools) oder Langzeitarchivierung fehlen auf der Editionswebsite; dasselbe gilt für die Zurverfügungstellung von Metadaten abseits der Kodierung in den TEI/XML-Dokumenten. Leider sind auch Zitierfähigkeit und stabile Referenzierung aufgrund des Fehlens von persistenten Identifikatoren zu bemängeln.
33Die digitale Edition erfüllt das in der Projektbeschreibung genannte Ziel, das Tagebuch mit Faksimiles und einem dokumentennah transkribierten Editionstext zu präsentieren, wobei das Projekt aber noch nicht abgeschlossen ist und noch 11 von den insgesamt 35 Jahren, zu denen Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg seinen Text verfasste, fehlen. Die Erschließung dieser einzigartigen und durch die Quantität herausfordernden Quelle mit Normdaten, Sachanmerkungen, Erläuterungen und besonderem begleitenden Material wie interaktiven Karten und der Netzwerkvisualisierung stellt einen fruchtbringenden Forschungsbeitrag dar.
Anmerkungen
[1] Dieses Review bezieht sich auf den Stand der Edition vom 04.07.2022.
[2] Innerhalb des <publicationStmt>
mit <date @type="digitised">
.
[3] Projektportal der digitalen Edition der Tagebücher des Fürsten Christian II.: https://web.archive.org/web/20220822102714/http:/www.tagebuch-christian-ii-anhalt.de/index.php?article_id=14.
[4] GitLab-Repositorium der digitalen Edition der Tagebücher des Fürsten Christian II. Zugegriffen am 16. November 2022. https://web.archive.org/web/20221116122133/https://git.hab.de/goermar/tagebuch-christian-ii-xml.
[5] MWW Personensuche. Zugegriffen am 16. November 2022. https://web.archive.org/web/20221116122523/http://beaconfinder.mww-forschung.de/.
[6] Deutsche Biographie. Zugegriffen am 16. November 2022. https://web.archive.org/web/20221116122630/https://www.deutsche-biographie.de/home.
[7] Der Fürst schrieb das Tagebuch großteils selbst nieder, Passagen anderer Schreiber wurden in den TEI-Dokumenten kodiert.
[8] Digitale Bibliothek der Herzog August Bibliothek. Zugegriffen am 16. November 2022. https://web.archive.org/web/20221102142805/http://diglib.hab.de/.
[9] Das Editionsprojekt wird gelistet, Metadaten zu den einzelnen TEI-Dokumenten jedoch nicht.
[10] ODD-Schema der digitalen Edition der Tagebücher des Fürsten Christian II. Zugegriffen am 16. November 2022. https://web.archive.org/web/20221116125448/https://diglib.hab.de/rules/schema/tei/P5/v2.8.0/tei-p5-transcr.xsd.
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Catalogue of Digital Editions. Digitale Edition und Kommentierung der Tagebücher des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599–1656). https://web.archive.org/web/20220822104154/https:/dig-ed-cat.acdh.oeaw.ac.at/editions/detail/208.
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Gephi. https://web.archive.org/web/20230120162821/https://gephi.org/.
Hausinger Angela, und Matias Jehn, Hrsg. 2010–. Johann Christian Senckenberg (1707-1772): Digitale Edition der Tagebücher. Frankfurt am Main: Goethe-Universität / Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg.
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Wenzel, Michael, Hrsg. 2020–2022. Philipp Hainhofer. Reiseberichte & Sammlungsbeschreibungen 1594-1636. Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek.
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Abbildungen
Abb. 1: Fortschritt der digitalen Edition dargestellt an einer Grafik im daneben existierenden Projektportal.
Abb. 2: Editionsrichtlinien.
Abb. 3: Doppelte Navigationsstruktur zum Tagebuch.
Abb. 4: Parallele Anzeige von Text und Faksimile.
Abb. 5: Textkritischer Apparat und Downloadmöglichkeiten (Textansicht rechts unten: PDF-Download, Textansicht links unten: Verlinkung zu XML- und XSLT-Dateien)
Abb. 6: Kartographisches Itinerar.
Abb. 7: Verwandtschaftsnetzwerk.
Abb. 8: Startseite der digitalen Edition.