Regesta Imperii Online

Regesta Imperii online, Deutsche Kommission für die Bearbeitung der Regesta Imperii e.V. (ed.), 2001-2017. http://www.regesta-imperii.de/ (Last Accessed: 12.08.2017). Reviewed by Julian Schulz (Ludwig-Maximilians-Universität), julian.schulz (at) lmu.de. ||

Abstract

Regesta Imperii (RI) online is one of the fundamental platforms for medieval research. RI stands for a combination of tradition and innovation. Based on the printed volumes which have been released since the early 19th century up until now, the text collection brings together the traditional arrangement of the research project and the wide range of new possibilities resulting from the digital form of presentation. The long-term work process implies some consequences concerning the quality of the provided data: As the regests are transmitted on the website without revision, there are data records in different forms of elaborateness (length, details). With RIplus an additional, born-digital component, is available which offers data from volumes that haven’t been published yet (work in progress), as well as data from other related research projects. RI provides all the regests in CEI, a subset of TEI-XML for diplomatic documents. Furthermore, the digital content (images, editions, authority files) is highly interlinked so that RI online spans a wide network for digital medieval research. All contents of RI online are freely available for subsequent use. Even though regests represent not transcriptions but summaries of charters, the data can serve as a “text collection” for different proposes, for instance, to study structural aspects of medieval forms of ruling or to explore the development of the research project itself from the perspective of history of science. Different approaches to analyze and visualize the data show the potential of this text collection for digital historians, as well as for (computer-)linguistic research.

1Wer sich mit der Geschichte des Mittelalters von den Karolingern bis hin zu Maximilian I. beschäftigt, kommt früher oder später bzw. besser früher als später in Kontakt mit den Regesta Imperii (RI). Das Angebot der Regesten, d.h. Kurzzusammenfassungen rechtlich relevanten Inhalts von Herrscher- und Papsturkunden, einschließlich Angaben zu ihrer Überlieferung und zum Forschungsstand, gehören zum Standard jeder wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Epoche zwischen 7511 und 1519, um an dieser Stelle sogleich den zeitlichen Rahmen zu benennen. Kurzum, jede/r Studierende der Geschichtswissenschaften kommt im Laufe des Studiums spätestens im Proseminar zur Mittleren Geschichte mit dieser Textsammlung in Berührung.

Fig. 1: RI online “1.0”: Durchsuchbare Scans der gedruckten Regestenbände.

2Sind die – inzwischen über 90 – weinroten Regestenbände mit annähernd 130.000 Einträgen nicht aus dem Bestand geschichtswissenschaftlicher Fachbibliotheken wegzudenken, so hat sich auch das digitale Angebot „RI online“2 seit seinem Onlinegang im Jahr 2001 zu einer für Fachwissenschaft wie historisch-interessierte Öffentlichkeit gleichermaßen unverzichtbaren Plattform entwickelt. Der Ausgangspunkt der digitalen Entwicklung ist in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Digitalisierungsvorhaben zu suchen, welches von der Trägerinstitution, der Deutschen Kommission für die Bearbeitung der Regesta Imperii e.V. an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (AdW Mainz), gemeinsam mit der Bayerischen Staatsbibliothek München (BSB) durchgeführt wurde. Ab dem Jahr 2001 wurden alle bis dahin erschienenen Regestenbände retrodigitalisiert und im PDF-Format online gestellt (Fig. 1).3 Seit 2007 sind die Bände schließlich im Volltext durchsuchbar zugänglich. Durch die institutionelle Anbindung an die AdW Mainz ist ein nachhaltiges Angebot der Internetressource sowie eine dauerhafte und zuverlässige Pflege der Textsammlung gewährleistet. Die vorliegende Besprechung wird einen Schwerpunkt auf die Anlage und die technischen Aspekte der Textsammlung legen und nach ihrer methodischen Umsetzung und den Potentialen für eine auf digitale Methoden gestützte wissenschaftliche Annäherung an das Material fragen.4

Fig. 2: Regesten früher Bände und heutiger Ausgaben unterscheiden sich… (weiter Fig. 3)
Fig. 3: …zuweilen sehr deutlich im Informationsgehalt und der Ausführlichkeit.

Qualität der Daten im Spiegel ihres Entstehungskontextes

3Der Beginn des Forschungsunternehmens ist eng mit dem Namen Johann Friedrich Böhmer verbunden. Auf den Frankfurter Stadtbibliothekar, der im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts mit der systematischen Sichtung und Verzeichnung von Urkunden römisch-deutscher Könige und Kaiser begann, gehen die Regestierungsgrundsätze zurück. Zunächst als Vorarbeiten für die Editionen der Monumenta Germaniae Historica (MGH) vorgesehen,5 entwickelte sich das Unterfangen rasch zu einem eigenständigen Forschungsvorhaben. Wenngleich sich das äußere Erscheinungsbild der (gedruckten) Regesten im Laufe der Zeit deutlich verändert hat, bleiben die wesentlichen Bestandteile davon unberührt. In das digitale Angebot der RI werden die Einträge aus den gedruckten Bänden nach folgendem Schema (vgl. Fig. 2) übernommen: Auf den Herrschernamen folgt in der Kopfzeile die Nennung des zugehörigen Regestenbandes in der für die RI typischen Abkürzung, einschließlich der Nummer des Regests.6 Unter der Datumsangabe und dem Ort der Ausstellung befindet sich mit der deutschsprachigen Zusammenfassung des Inhalts der Urkunde oder der historiographischen Nachricht das Herzstück eines jeden Regests. Es folgen – sofern vorhanden – Angaben zu Originaldatierung, Zeugen und Vermerke der herrscherlichen Kanzlei. Hinweise zu Beschaffenheit (z.B. Beschreibstoff, Siegel) und Überlieferung (z.B. Fundort, Archivsignatur) des jeweiligen Stückes, zu Editionen und Abbildungen dürfen ebenso wenig fehlen wie Verweise auf die einschlägige Forschungsliteratur, letztere in der Kurzform der Druckfassung mit Verlinkung auf den zugehörigen Eintrag im RI-OPAC.7

4Während die älteren Bände zunächst retrodigitalisiert und anschließend als Hypertext online zugänglich gemacht wurden, werden alle nach Abschluss des DFG-Projekts veröffentlichten Bände unmittelbar in Hypertext wiedergegeben. Da die Veröffentlichungsrechte bei der AdW Mainz liegen, erfolgt die Bereitstellung des Materials ohne Moving Wall. Dieser Goldene Weg des Open Access trifft ebenso auf die österreichischen und tschechischen Bandausgaben der Reihe zu. Ihnen allen gemein ist, dass die Regesten ohne vorangehende Überarbeitung aus den Druckausgaben in das digitale Medium überführt werden. Da es sich bei den RI um ein großangelegtes und äußerst langlebiges Forschungsunternehmen handelt, resultieren aus dem Entstehungskontext der Textsammlung zwei Aspekte, die es beim Umgang mit den Forschungsdaten zu berücksichtigen gilt:

5Einerseits unterliegt die Ausgestaltung der Regesten aus den seit 1839 im Druck erschienenen Bänden naturgemäß stilistischen und inhaltlichen Schwankungen, insbesondere hinsichtlich der Ausführlichkeit des Informationsgehalts (vgl. Fig. 2 und Fig. 3).8 Andererseits existieren in der digitalen Fassung gewisse Redundanzen, da manch historisches Ereignis in unterschiedlichen Bänden mehrfach als Regest erfasst wurde. Eine Bereinigung des Gesamtbestandes (beispielsweise die Optimierung bestehender Binnenlinks zwischen inhaltlich identischen Regesten) erfolgt sukzessive. Die Orientierung an der Form der Druckausgaben bleibt davon unberührt. Für Nutzer des Online-Angebotes besteht aber die Möglichkeit, Nachträge einzureichen, die von der Redaktion geprüft und nach Freigabe unterhalb des ursprünglichen Regests erscheinen.9 Überlegungen, die Verbesserungen unmittelbar in das Regest einfließen zu lassen, wurden bisher nicht realisiert. Hilfreich könnte in diesem Zusammenhang die Einführung einer Versionierung der (überarbeiteten) Regesten sein.

RI online – (k)eine klassische Textsammlung

6Die einzelnen Bände und damit die Regesten selbst unterliegen folglich deutlichen Unterschieden in Umfang und Ausgestaltung der Metainformationen. Wenngleich es sich nicht um Volltexteditionen von Urkunden handelt, kann die Frage, ob es sich bei RI online um eine Textsammlung handelt, bejaht werden: Einerseits bieten die Metadaten die Möglichkeit, sich dem Material aus unterschiedlichen Forschungsinteressen her zu nähern, beispielsweise um strukturelle Aspekte mittelalterlicher Herrschaft zu ergründen. Informationen über Ort und Datum der Ausstellung, beteiligte Personen und Zeugen lassen sich aus verschiedenen geschichtswissenschaftlichen Perspektiven heraus auswerten. Auch aus wissenschaftsgeschichtlicher Sicht ist eine Beschäftigung mit den RI als Textsammlung lohnend. Mit Hilfe linguistischer Methoden kann ergründet werden, wie sich die Erstellung der Regesten trotz des Festhaltens an traditionellen Bearbeitungsgrundsätzen über die Jahrzehnte hinweg verändert hat. Hinsichtlich der Auswertung von Metainformationen wäre eine deutlichere Kennzeichnung, welche Metadaten in welchen Bänden durchgängig vorhanden sind, hilfreich. Dennoch lassen sich auf die vorhandenen Textinformationen innovative Zugänge anwenden, die zu neuen Erkenntnissen führen können. Darauf wird weiter unten an exemplarisch ausgewählten Projekten zurückzukommen sein.

Born digital-Angebote und Work in Progress

7Neben den ursprünglich in Buchform erschienenen Einträgen existiert mit RIplus 10 ein born digital-Angebot, das die Textsammlung sukzessive erweitert (derzeitiger Stand: ca. 40.000 Regesten). RIplus versteht sich als Zusatzangebot, welches die klassischen 14 herrscher- und dynastiebezogenen Abteilungen der RI um Handlungen einflussreicher Akteure innerhalb des Reiches (sog. „Große“) ergänzt.11 Andererseits werden Vorabversionen noch nicht erschienener RI-Bände geliefert.12 Interessierten Institutionen steht es frei, von ihnen erschlossene Quellen dem RI-Schema folgend in das Angebot einzuspielen.13 Dem Nutzer obliegt dabei stets die Entscheidung, ob die unter RIplus zusammengefassten Zusatzangebote in die Suche einbezogen oder nur die ‚klassische‘ Textsammlung konsultiert werden soll. In diesem Zusammenhang möge die Rubrik „ePublikationen“ nicht unerwähnt bleiben. Darin finden sich weitere Veröffentlichungen von Teilergebnissen aus der Arbeit des Regestenunternehmens, um diese der interessierten Fachöffentlichkeit bereits vorab zugänglich zu machen. Dies wiederum ist als positives Beispiel für Preprint und Open Access anzusehen.

Fig. 4: Eine Urkunde Karls des Großen (RI n. 192) aus dem Jahr 775, eingebunden in ein digitales Forschungsnetzwerk.

Ein Netzwerk für die Mittelalterforschung

8Wie bisher deutlich wurde, handelt es sich bei RI online um eine in stetigem Wandel begriffene Textsammlung und damit um ein positives Beispiel für Work in Progress. Dieser Eindruck verstetigt sich im Blick auf die Vernetzung des Angebotes mit anderen digitalen Ressourcen zur mittelalterlichen Geschichte. Eine erste, naheliegende Verknüpfung erfolgte mit dem Angebot der MGH.14 Damit werden den Regesten – wo vorhanden – die zugehörigen Schriftstücke in Volltextedition zugeordnet. In jüngerer Zeit werden auch Verlinkungen zu anderen Editionsangeboten wie dem Württembergischen Urkundenbuch15 ergänzt. Neben dieser textualen Ebene wird durch die Verknüpfung mit Urkundenabbildungen und deren systematischen Verzeichnisse eine visuelle Komponente ergänzt. An erster Stelle sei hier auf das Angebot des Lichtbildarchivs Marburg (LBA) verwiesen.16 Hochauflösende Urkundenabbildungen anderer Institutionen folgen kontinuierlich.17 Abgerundet wird das visuelle Angebot durch die Gegenverlinkung auf das Abbildungsverzeichnis der europäischen Königs- und Kaiserurkunden (AVEKK),18 welches neben den genannten, digital vorliegenden Bildsammlungen auch sämtliche in Druck erschienenen Urkundenabbildungen versammelt (Fig. 4).

Fig. 5: “Alle Wege führen zu den RI” – Beitrag zur Vernetzung einer digitalen Mediävistik, Video “Regesta Imperii – Historische Grundlagenforschung im Wandel” – Min. 5:24, abrufbar unter: http://web.archive.org/web/20170812104527/http://www.regesta-imperii.de/unterne…

9Im Grad der Verknüpfung unterliegen die einzelnen Bände wiederum gewissen Schwankungen. Während neu erscheinende Lieferungen unmittelbar mit den genannten Angeboten in Relation gesetzt werden,19 so erweist sich dies bei älteren Bänden als ausbaufähig. Eine nachträgliche Verknüpfung der frühen Bände mit bestehenden Online-Angeboten wäre zu begrüßen. Insgesamt bestehen derzeit bei aktuell 176.134 Regesten20 etwa 15.000 Verlinkungen auf externe Angebote, davon knapp 6000 Links zu den Volltexteditionen der MGH und zu etwa 2100 Urkundenabbildungen.21 Inbegriffen in diese Zahl sind ferner 3500 Verlinkungen auf das AVEKK, welche derzeit sukzessive eingepflegt werden. RI online bündelt somit zentrale Ressourcen für die Erforschung des Mittelalters und leistet einen integralen Beitrag für eine Vernetzung innerhalb der (digitalen) Mediävistik (Fig. 5.).

Fig. 6: Zugang zur Textsammlung über eine hierarchische Baumstruktur.
Fig. 7: Qualitative Suchabfragen ermöglicht die “Expertensuche”.

Zugänge zur Textsammlung

10Die Webseite bietet verschiedene Zugänge zum Material. Zunächst besteht die Möglichkeit, analog zu den gedruckten Ausgaben innerhalb einer Baumstruktur durch die einzelnen Bände zu navigieren. Für einen ersten Einstieg dient die Schnellsuche, für zielgenauere Ergebnisse bietet sich die Verwendung der „Expertensuche“ an, die verschiedene Suchoptionen vorhält (Fig. 6 und Fig. 7).22 Die Orts- und Personenregister der Bände stehen in PDF-Form bereit. Diese sind für das digitale Angebot noch nicht vollständig in durchsuchbarer Form erschlossen. Die Integration der Register in das Datenbankangebot und ihre Anreicherung mit Normdaten23 stellt ein Desiderat dar. Ein erster Probelauf wurde bereits 2012/2013 durchgeführt.24 Damit könnten neue Zugänge zum Material (insb. für eine personell-räumliche Netzwerkforschung) ermöglicht werden.

Fig. 8: Wohlgeformt: Die komplette Textsammlung ist im TEI-Subset CEI abrufbar.

11Neben dem qualitativen Zugang über die Suche wird via REST-Schnittstelle der Zugriff auf die komplette Regestendatenbank ermöglicht. Eine Weiterverarbeitung der in XML vorliegenden Textsammlung wird durch Einsatz des seit 2004 durch die Charters Encoding Initiative entwickelten TEI-Subsets CEI25 sichergestellt (Fig. 8). Die CEI hat sich als (internationaler) Standard zur domänenspezifischen Auszeichnung von Urkunden im Bereich der Diplomatik und angrenzender Disziplinen durchgesetzt.26 Dass das konventionalisierte Instrumentarium nicht nur bei Volltexteditionen, sondern wie im vorliegenden Fall auch bei Regesten zum Einsatz kommt, erscheint folgerichtig: Die einheitliche Kodierung von Aussteller und Empfänger, Rollen wie Zeugen oder beteiligten Personen, aber auch Angaben zu Beglaubigungsmitten und Aufbewahrungsort ist ein wichtiger Beitrag zur Forschungsdateninteroperabilität.

Fig. 9: Automatische Implementierung des RI-Regests via CEI-Import in das kollaborative Archiv von monasterium.net.

12Die Verknüpfung der RI mit anderen einschlägigen Webangeboten zur Diplomatik wird über das Austauschformat CEI gewährleistet. Hervorzuheben ist an dieser Stelle das digitale Angebot des kollaborativen Archivs von monasterium.net (MOM-CA), welches ebenfalls das CEI-Datenmodell verwendet. In MOM-CA wurde jüngst eine erste automatische Verknüpfung der Regesten mit bestehenden Urkundenabbildungen vorgenommen.27 Erstmals wird damit ein „digitales Gesamtbild“ der entsprechenden Urkunden ermöglicht. Kritisch kann hinsichtlich der Verwendung von CEI der Verbleib des Subsets auf dem Stand von TEI P4 angemerkt werden. Eine Migration nach P5 ist in absehbarer Zeit vorgesehen, wodurch Nachhaltigkeit und TEI-Kompatibilität langfristig gewährleistet wären (Fig. 9).28

13Die Erfassung und Auszeichnung von Metainformationen innerhalb der RI im CEI-Format unterliegt den eingangs skizzierten Schwankungen hinsichtlich der Ausführlichkeit der vorhandenen Daten. Zu berücksichtigen gilt, dass nur die Metadaten29 und die Formalstrukturen, d.h. die Einordnung des Einzelregests in das Gesamtangebot der RI (Abteilung, Band, Heft) in CEI abgebildet werden; jenseits der Metadaten findet keine Annotation der Regestentexte selbst statt. Es sollte jedoch bedacht werden, dass ein Regest einschließlich der Inhaltswiedergabe per se (ganz ohne digitalen Aspekt) die „Metadaten“ einer Urkunde darstellt. Da es sich nicht um den Originalwortlaut sondern um von Historikern verfasste Zusammenfassungen handelt, kann der Verzicht auf Auszeichnung der Regestentexte als gattungsspezifisch konsequent bewertet werden.

14Neben der kompletten Textsammlung können über die Schnittstelle wahlweise auch ausgewählte Bände exportiert werden.30 Neben der bestehenden eindeutigen Referenzierbarkeit eines jeden Datensatzes (via URI) wäre auch eine XML-Exportfunktion (per Mausklick) für das Einzelregest zu begrüßen. Dies gilt ebenso für eine persistente Verlinkung auf Suchabfragen und einzelne Bandseiten. Auf Anfrage wird die Textsammlung auch in relationaler Form für eine Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt.31 In allen genannten Fällen können die Inhalte unter einer CC BY 4.0 International Lizenz,32 d.h. unter Namensnennung und Angabe der vorgenommenen Veränderungen, auch zu kommerziellen Zwecken nachgenutzt werden.

Fig. 10: Reisetätigkeiten Karls des Kahlen, visualisiert mit Hilfe von Google Maps und Timemap. Vgl. Anm. 30, S. 88.
Fig. 11: Die Einflussräume Maximilians I. gehen aus einer Heatmap hervor (mit freundlicher Genehmigung der Digitalen Akademie, Mainz).

Analyse und Visualisierung der Daten

15Durch die aufgezeigten Wege zur Textsammlung in Form eines XML/CEI-Downloads oder die Anforderung eines Datenbank-Auszuges wird eine reichhaltige und komfortabel weiterverarbeitbare Quellenbasis für die Mittelalterforschung dargeboten. Über die Bereitstellung hinaus bietet die Plattform selbst noch keine Möglichkeiten zur unmittelbaren Analyse oder Visualisierung der Daten. Dies stellt ein weiteres Desiderat dar, zumal der Nutzen innovativer Zugänge zum Material durch die historische Forschung bereits früh erkannt wurde:

16Ein naheliegendes Forschungsinteresse stellt die Itinerarforschung dar, d.h. das Nachvollziehen herrscherlicher Reisetätigkeiten innerhalb des Reiches. Ein frühes Beispiel hinsichtlich der Beschäftigung mit einem Reiseitinerar stellt „Iterregis“ dar: Eine im Jahr 2009 eingereichte Magisterarbeit zeichnet mit Hilfe von Google Maps und der darauf abgestimmten Zeitstrahlsoftware Timemap ein digitales Abbild des ersten RI-Bandes zu Karl dem Kahlen (840-848) (Fig. 10).33 Auch Aufenthalts- bzw. Frequenzitinerare, d.h. die Untersuchung, ob es sich bei einem Gebiet um eine königsnahe oder -ferne Region handelt, standen bereits im Fokus verschiedener Projekte. Zu nennen sei ein Versuch, der im Rahmen des Hackathons ‚Coding Da Vinci‘ 2015 angestellt wurde und auf Grundlage von Regesten die Einflussräume von Herrschern in Form einer Heatmap darstellte.34 Zuletzt hat das Big Data-Praktikum der Informatik an der Universität Mainz die Textsammlung auf das Reiseverhalten und die über die Häufigkeit der Urkunden sichtbare räumliche „Wirksamkeit“ der einzelnen Herrscher visualisiert (Fig. 11).35 Ein längerfristiges Vorhaben zur Ergründung raumbezogener Analysemöglichkeiten am Beispiel der Regesta Imperii ist das an der Universität Heidelberg angesiedelte Kooperationsprojekt RIgeo.net.36

Fig. 12: Graphtechnologien bieten Möglichkeiten zur Visualisierung von Netzwerkstrukturen innerhalb der Regesten (Zugang zur Datenbank bereitgestellt von Andreas Kuczera).

17Wenngleich die Textsammlung aus den oben geschilderten Gründen recht heterogen in ihrer Ausgestaltung ist und abgesehen von den Metadaten keine vollständige Annotation innerhalb der Texte erfolgt, werden in jüngerer Zeit zunehmend auch (korpus)linguistische Zugänge zu RI online gewählt. Zu nennen sei eine BA-Abschlussarbeit, die sich mit Hilfe von NLP-Methoden der Erschließung von Themenkomplexen innerhalb der Regesten widmet. Darin verweist der Autor auf das große Potential, welches die Textsammlung trotz oder gerade aufgrund ihrer heterogenen Ausgestaltung auch für Linguisten bietet.37 Nicht zuletzt lassen sich an der AdW Mainz Bestrebungen feststellen, Netzwerkstrukturen innerhalb der Regesten mit Hilfe von Graphentechnologien zu visualisieren.38 Eine Graphdatenbank zu den Regesten Friedrichs III. unter Einbezug der Registereinträge und der herangezogenen Forschungsliteratur befindet sich derzeit im Aufbau (Fig. 12).39 Die angeführten Beispiele zeigen den Mehrwert einer maschinellen Auswertung der Textsammlung für die mediävistische Forschung. Eine Implementierung dieser, derzeit durch (externe) Kooperationspartner durchgeführten Datenanalysen und -visualisierungen in das grundständige Angebot von RI online würde einerseits zur Steigerung der Sichtbarkeit dieser Werkzeuge beitragen, andererseits für die Forschung wertvolle innovative Zugänge zur Textsammlung dauerhaft ermöglichen.

Fazit

18RI online steht für Tradition und Fortschritt in gleichem Maße. Die Verpflichtung gegenüber den Grundsätzen des nunmehr seit annähernd 180 Jahren bestehenden Forschungsunternehmens geht einher mit dem fortwährenden Streben nach Optimierung und Innovation. Die Textsammlung wird auch künftig erweitert, neue Bände werden analog zum Druck ohne Moving Wall eingepflegt sowie bestehende Angebote ergänzt und überarbeitet. Die RI stellen damit ein positives Beispiel für Work in Progress in der Geschichtswissenschaft dar. Eine langfristige Nutzung der Daten und ihre Kuratierung werden durch die institutionelle Anbindung an die AdW Mainz dauerhaft gewährleistet.

19Dieser stetige Bearbeitungsprozess spiegelt sich in der Qualität der Forschungsdaten wieder. Da sie beim Übergang vom gedruckten Medium auf die Onlineplattform nicht überarbeitet werden, unterliegen sie deutlichen stilistischen und inhaltlichen Schwankungen. Dies betrifft ebenso den Grad der Verknüpfung der einzelnen Regesten mit andere zentralen Ressourcen zur Geschichte des Mittelalters. Es wird in diesem Zusammenhang langfristig darüber nachzudenken sein, ob eine Loslösung von der klassischen (Druck)form – beispielsweise mit Hilfe von Versionierungen – denkbar erscheint.

20Sämtliche Regestendaten werden unter einer Creative Commons-Lizenz zur Nachnutzung bereitgestellt. Ob über die REST-Schnittstelle oder in relationaler Form, die Textsammlung lädt zum Download ihrer Bestände für die weiterführende Forschung ein. Wenngleich es sich bei Regesten nicht um die Volltextedition von Urkunden handelt, kann das Angebot als Textsammlung bezeichnet werden. Die Verwendung des TEI-Subsets CEI zur Annotation von Metadaten ermöglicht verschiedene Formen des Zugangs und der Auswertung des dargebotenen Materials bzw. der Textdaten. Gleichzeitig wird eine Verknüpfung mit anderen diplomatischen Angeboten seitens der MGH oder monasterium.net ermöglicht und damit der Weg hin zu einer umfänglichen digitalen Diplomatik mitgestaltet.

21Abgesehen von den Metadaten erfolgt keine Auszeichnung der Regestentexte. Dass eine Weiterverarbeitung, Analyse und Visualisierung der Metainformationen und Texte dennoch lohnend sein kann, zeigt eine Reihe digitaler Forschungsprojekte, die auf Grundlage der RI erarbeitet wurden oder im Entstehen begriffen sind. Eine Implementierung innovativer Zugänge zum Material seitens der Plattform selbst stellt ein Desiderat dar. Die angekündigte Aufbereitung der Register zu den einzelnen Bänden und ihre Anreicherung mit Normdaten wird die eingeschlagenen Zugänge der Forschung auf die Textsammlung wesentlich bereichern. Die sukzessive Erweiterung des digitalen Angebotes verspricht die zentrale Stellung der Regesta Imperii innerhalb der Mittelalterforschung zu untermauern. Gleichzeitig ist mit wachsendem Textdatensatz und steigender Erschließungstiefe damit zu rechnen, dass sich die Textsammlung zukünftig nicht nur für qualitative Untersuchungen einzelner Regesten, sondern verstärkt auch für quantitative Analysen der Regestensammlung fruchtbar machen lässt.

Anmerkungen

1. Neben Urkunden werden bei Herrschern des Früh- und Hochmittelalters bis Heinrich VII. (1308-1313) auch Belege aus narrativen bzw. sämtlich verfügbaren Quellen als Regesten herangezogen. Die ersten Fundstellen, die als Einträge aufgenommen wurden, gehen auf das Jahr 612 zurück und liegen damit vor dem genannten Datum des ersten Urkundenregests.
2. Regesta Imperii online: http://web.archive.org/web/20170812104527/http://www.regesta-imperii.de/startse… (Letzter Aufruf aller zitierten Internetressourcen: 13.09.2017).
3. Für eine zeitgenössische Evaluierung des DFG-Projekts vgl. Thaller 2015, 135.
4. Für einen stärkeren Fokus auf den Aufbau der Plattform aus inhaltlicher Sicht sei auf die Rezension von Tobias Weller (2014) verwiesen.
5. Vgl. Kuczera und Rübsamen 2006, 109f.
6. Vgl. beispielsweise: „[RI VII] H. 4 n. 17“ für das Regest Nr. 17 in Heft 4 der Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern; URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1322-12-21_1_0_7_4_0_17_17 . Die Abkürzung verweist auf den zugehörigen Eintrag im Bibliothekskatalog der RI mit den vollständigen bibliographischen Angaben zum entsprechenden Band.
7. Der Katalog der RI verzeichnet inzwischen über 1,9 Millionen Titel (Monographien wie Aufsätze gleichermaßen), die die europäische Mittelalterforschung in ihrer epochalen Breite und sämtliche Fachdisziplinen gleichermaßen abdeckt; vgl. http://web.archive.org/web/20170812105032/http://opac.regesta-imperii.de/lang_d….
8. Vgl. hierzu Kuczera und Rübsamen 2006, 116-120.
9. Seit 2009 wurden bis heute 1660 Nachträge durch die Redaktion freigeschaltet; vgl. http://web.archive.org/web/20170913171109/http://www.regesta-imperii.de/regeste….
10. Für eine Beschreibung der Weiterentwicklung des klassischen Angebotes vgl. Weber 2016.
11. Zu nennen seien beispielsweise die Erzbischöfe von Mainz (742?-1374), vgl. http://web.archive.org/web/20170812105336/http://www.regesta-imperii.de/regeste…, oder die Pfalzgrafen bei Rhein (1214-1400), vgl. http://web.archive.org/web/20170812105420/http://www.regesta-imperii.de/regeste….
12. Gesteigertes Interesse erfährt insbesondere die Urkunden-Datenbank zu Friedrich III. (1440-1493); vgl. http://web.archive.org/web/20170812105504/http://f3.regesta-imperii.de/.
13. Zu nennen seien exemplarisch die Regesten zu den Bischöfen und dem Dompakitel von Augsburg: http://web.archive.org/web/20170812105737/http://www.regesta-imperii.de/regeste…. Die Dateneingabe erfolgt durch die Bearbeiter der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft unmittelbar über das CMS Typo3 der RI.
14. Startseite der digitalen MGH (dmgh): http://web.archive.org/web/20170812105808/http://www.dmgh.de/.
15. Startseite des Württembergischen Urkundenbuchs online (WUB): http://web.archive.org/web/20170812105903/https://www.wubonline.de/.
16. Startseite des LBA Marburg: http://web.archive.org/web/20170812105940/http://lba.hist.uni-marburg.de/lba/.
17. Zu nennen seien an dieser Stelle insbesondere das Archivinformationssystem Hessen (Archinsys, vgl. http://web.archive.org/web/20170812110015/https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/s…) und die von der BSB München durchgeführte Retrodigitalisierung der ‚Kaiserurkunden in Abbildungen‘; vgl. http://web.archive.org/web/20170812110136/http://geschichte.digitale-sammlungen….
18. Das AVEKK, zunächst in Druck erschienen (Irmgard Fees, Abbildungsverzeichnis der original überlieferten fränkischen und deutschen Königs- und Kaiserurkunden von den Merowingern bis zu Heinrich VI., Marburg 1994), wird im Rahmen des Projekts ‚hgw-online.net‘ an der LMU München betreut; vgl. http://web.archive.org/web/20170812110205/http://www.hgw-online.net/abbildungsv….
19. Vgl. exemplarisch den kürzlich eingestellten Band zu Heinrich IV., der bei insgesamt 1572 Regesten etwa 2000 Verlinkungen aufweist.
20. Die Gesamtzahl der online verfügbaren Regesten befindet sich tagesaktuell über der Suchleiste; vgl. http://web.archive.org/web/20170812110308/http://www.regesta-imperii.de/regesten/suche.html..
21. Nicht eingerechnet sind in diesen Zahlen Verlinkungen aus RIplus. Herauszurechnen sind überdies die eingangs genannten redundanten Regesten. Es gilt zu berücksichtigen, dass für die Mehrzahl der über 176.000 Regesten keine verlinkbaren Angebote existieren (vgl. Anm. 1).
22. Die Funktionalitäten der einzelnen Suchfelder werden auf einer Hilfe-Seite ausführlich dokumentiert; vgl. http://web.archive.org/web/20170812104527/http://www.regesta-imperii.de/regesten/hilfe.html.
23. Die Autorennamen im RI-OPAC wurden bereits mit GND-Nummern versehen; eine Beacon-Datei steht zum Download bereit: http://web.archive.org/web/20170812110427/http://regesta-imperii.de/fileadmin/u…
24. Vgl. http://web.archive.org/web/20170812110951/http://www.regesta-imperii.de/regeste….
25. Für einen Überblick zur Charters Encoding Initiative (CEI) vgl. http://web.archive.org/web/20170812111033/http://www.cei.lmu.de/project.
26. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt EpiDoc (https://sourceforge.net/p/epidoc/wiki/Home/) als strukturiertes Markup für Inschriften.
27. Vgl. den Prototyp auf monasterium.net: http://web.archive.org/web/20170812111353/http://monasterium.net/mom/RIViI/coll…. Die Anreicherung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist als ein erster Schritt auf dem Weg hin zu einer systematischen Verknüpfung beider Angebote zu sehen.
28. Diese Information beruht auf der Aussage eines der Mitbegründer der CEI, Georg Vogeler, an dessen Forschungseinrichtung die Migration erfolgen soll.
29. Als Metadaten werden die genannten Personen, Zeit- (ISO-konform) und Ortsangaben erfasst, letztere etwa zur Hälfte ergänzt um Geoinformationen. Vgl. hierzu Rübsamen und Holzner-Tobisch 2016, 616f.
30. Vgl. die Dokumentation zur Benutzung der Schnittstelle: http://web.archive.org/web/20170812111426/http://www.regesta-imperii.de/daten.h….
31. Über diesen Weg erfolgte die jüngst durch den Rezensenten abgeschlossene Verlinkung der RI im AVEKK. In diesem Zusammenhang sei auf die stets zügige und kompetente Beratung durch die Betreuer der RI online (http://web.archive.org/web/20170812111503/http://www.regesta-imperii.de/unterne…) hingewiesen.
32. Vgl. https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/. Diese Lizenzierung besteht seit 2014; vgl. Heinig und Herbers 2014, 3.
33. Vgl. Rest 2009.
34. Vgl. den zugehörigen Bericht auf der Seite der AdW Mainz: http://web.archive.org/web/20170812111636/http://www.adwmainz.de/nachrichten/ar…. Die Projektseite ‚Imperii-Viz‘ ist mittlerweile nicht mehr zugänglich.
35. Die Ergebnisse sollen demnächst vorgestellt und nachnutzbar bereitgestellt werden.
36. Für eine ausführliche Beschreibung des am Geographischen Institut der Universität Heidelberg angesiedelten Projekts vgl. http://web.archive.org/web/20170812111754/http://www.geog.uni-heidelberg.de/for….
37. Vgl. den aus der BA-Arbeit von Juri Opitz hervorgegangenen Beitrag: Opitz und Frank 2016, bes. 82.
38. Für einen Einstieg in das Thema Graphdatenbanken, mit Schwerpunkt auf die Erstellung digitaler Editionen siehe Kuczera 2016, “Graphbasierte digitale Editionen”.
39. Die Datenbank ist bereits abrufbar, vgl. http://web.archive.org/web/20170812112009/http://www.digitale-akademie.de/forsc…. Vgl. hierzu auch Kuczera 2016, “Graphdatenbanken für Historiker”.

Bibliographie